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 Stücke

Zu den einzelnen Stücken kann man natürlich unterschiedlich viel und unterschiedlich niveauvolles sagen. Ich erzähle mal, was wir uns so bei den Proben dazu gedacht haben.

Bei der Introduktion und Variation op. 101 von Friedrich Kuhlau herrscht ein ausgeglichenes Verhältnis der beiden Solisten vor. Vor allem in der Introduktion, die einen richtigen Dialog darstellt, wird dieses deutlich. Wir werfen uns quasi die Spielbälle zu; wenn der eine seine Bemerkung zu Ende gespielt hat, fällt sofort dem anderen wieder etwas darauf ein, ja, wir fallen uns auch gegenseitig ins Wort. Das Thema, das zunächst vom Klavier vorgestellt wird, wird anschließend von der Flöte noch einmal wiederholt, so daß man es nachher für die Variationen richtig gut im Ohr hat (Wehe, wir spielten dieses Stück am Ende der Probe: Für den Rest des Tages hatten wir unseren Ohrwurm vorprogrammiert). Anschließend wird das Thema (nun immer nur noch einmal in jeder Variation vorkommend) in acht Variationen immer stärker ausgeschmückt. Zuerst noch von beiden zusammen, in den nachfolgenden fünf steht jeweils abwechselnd eines der beiden Instrumente im Vordergrund (deswegen ist der andere aber nicht unwichtig). Dann folgt die langsame, gefühlvolle Variation, bevor es in die abschließende geht, in der wieder beide Instrumente brillieren.


Leider ist César Cui kaum noch bekannt (anders als vor ca. 100 Jahren). Er gehörte zu dem mächtigen Häuflein, das die neue russische Schule begründete. Für ihn war die kleine Form das Wesentliche. Er konzentrierte sich auf das Intime, was im Freundeskreis gut spielbar war. Genauso ist auch sein Scherzetto, das er Philipp Gaubert widmete, einem der bedeutendsten französischen Flötisten damals. Es ist ein kleiner Walzer, der überhaupt nicht übertrieben wirkt, sondern ganz schlicht und einfach und dennoch ausgewogen und gerade in seiner (man ist fast schon versucht zu sagen) Naivität dennoch perfekt ist. Übrigens veröffentlichte Cui viele seiner Artikel (er war der “Schreiberling” der mächtigen Fünf und dies neben den Militär-Büchern, die er als Offizier an einer russischen Militär-Schule erstellte) in Frankreich und Belgien, so daß die Musik-Szene sich untereinander gut kannte.


Für das Concertino erhielt Cécile Chaminade 1902 den Kompositionspreis des Pariseer Musik-Conservatoriums. Ähnlich wie Cui hört man von dieser Komponistin leider nur noch sehr wenig, obwohl ihre Musik ihren männlichen Zeitgenossen in Nichts nachsteht (sonst hätte sie ja kaum gewonnen, schließlich gab es damals noch keine Frauenquote). Es sind genauso schöne Melodiebögen vorhanden, ebenso große Gefühle (mit Pathos, aber ohne Schmalz) in Kombination mit großer Virtuosität. Dieses Stück kann man eigentlich nur voller Intensität spielen, da ihre Stilistik Halbheiten nicht zuläßt (entweder alles oder nichts). Alles andere wirkt wie “angezogene Handbremse”, und dabei fährt ein Auto schließlich auch nicht richtig.


Nach der Pause wird es noch etwas moderner. Marlaena Kessick (geb. 1935) führt uns in ihren Scene Di Campagna (ländliche Szenen) nach Italien. In diesen zehn kurzweiligen Miniaturen begegnen wir ganz verschiedenen Dingen. Zuerst einem verwundeten Vogel (L´uccellino ferito), der mit seinem lahmen Flügel nur noch hilflos flattern kann. Aber nachdem er sich an die menschliche Hilfe gewöhnt hat (hier wird er ziemlich aufgeregt), beginnt der Heilungsprozeß. In der Prateria hört man eine Steppe, ein Ödland, das nicht sehr lebensfreundllich erscheint. Aber trotz aller spitzen Gräsern, vor denen man sich höllisch in Acht nehmen muß, kann man auch einige schöne Stellen entdecken. In eine ganz andere Landschaft entführt uns das Milchmädchen (Ragazza con Mucca). Sie schlendert fröhlich, ihre Milchkanne hin und her schlenkernd, über die Felder und freut sich an der schönen Natur. Eine ganz andere Stimmung ist wieder bei der Casa abbandonata (das verlassene Haus). Es ist fast etwas gespenstig, wie die Spinnweben herunterhängen und sich im Wind, der schauerliche Geräusche hier verursacht, bewegen. Nichts für schwache Nerven (die nächste Krimiverfilmung a lá 5 Freunde läßt grüßen). Und schon wieder findet ein Szenarium-Wechsel statt. Nun befinden wir uns an einem kleinen See (Il Laghetto) und beobachten seine Wellenbewegungen. Und weiter führt uns der Spaziergang zu einer Kreuzung (Passaggio a Livello). Auch musikalisch kreuzt sich hier einiges (welches Vorzeichen gilt momentan? Ach schon wieder eine Modulation, die allerdings wieder höchstens für zwei Takte gilt). Auf der weiteren Wanderung sehen wir einen Schmetterling, der gerade in der Sonne flattert (Farfalla al Sole). Glücklicherweise setzt er sich auch hin, so daß wir seine prächtigen Flügel betrachten können. Aber schade, schon fliegt er wieder weiter und unser Blick entdeckt einen Friedhof (Lapide). So traurig man zunächst ist, sind die Grabsteine doch ausgesprochen schön gestaltet. Etwas unheimlich ist es dennoch hier herumzulaufen.Aber irgendwie strahlt dieser Friedhof so viel Ruhe aus, daß man sich fast hoffnungsvoll zur nächsten Unternehmung aufmacht. Nun besuchen wir Due Caverne (zwei Höhlen), die fast nicht untersschiedlicher sein können. Zunächst der Abstieg in diese Unterwelt, die doch etwas schroff ist (kalter Stein). Ganz anders die zweite Höhle (der Verbindungsgang war sehr merkwürdig). Hier tropft und plätschert es überall. Doch schließlich machen wir uns an den Aufstieg und erreichen wieder die Oberwelt, wo uns das grelle Sonnenlicht blendet. Schließlich beobachten wir noch einen Frosch an einem Teich (Rana nello Stagno). Man hört die ganzen Fliege-Tiere, die um den Frosch herumschwirren (mal größer, mal kleiner) und auch das ganze andere Getier - ein richtiges Biotop wird musikalisch augebreitet.


Nach diesem ausführlichen lautmalerischen Spaziergang führt uns das letzte Werk wieder nach Frankreich. Georges Enesco, der gebürtige Rumäne, lebte und arbeitete vorwiegend in Frankreich. So weist sein Cantabile é Presto gewisse Ähnlichkeiten zum Chaminade-Concertino auf (aber wirklich nur rudimentär). Beide Stücke leben von ihren intensiven Gefühlen, so daß man auch hier einfach loslassen muß und sich ganz der Musik anvertrauen kann. Allerdings muß man schon gut aufeinander eingespielt sein, wenn man auch die andere Stimme (es sind wieder zwei absolut gleichberechtigte Partien) mithören will (während mancher Probe stellten wir fest, daß man nur an bestimmten Stellen aufeinander hören darf, an anderen muß wirklich jeder für sich durchkommen, man trifft sich schon wieder).


So, jetzt wünsche ich viel Spaß beim Zuhören (die Proben waren trotz aller Intensität doch auch immer lustig) und hoffe, daß ihr auch nach den Mini-Beschreibungen noch neue Dinge im Konzert bei / in den Stücken entdecken könnt. Für uns sind sie inzwischen zu ganz toller Musik geworden und dennoch nie langweilig, da wir immer wieder Neues in ihnen finden (wer entdeckt z. B. das Sandmännchen-Motiv oder Anklänge an das Schubert´sche Ave Maria).

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